Weltumradler durch Pannen und Unruhen ausgebremst
Kunming (rad-net) - Seit mehr als zwei Jahren sind die Essener Weltumradler Mandy Helmis und Benjamin Jacob jetzt unterwegs. Bis zum 16. Mai wollen sie nach acht Monaten China hinter sich gelassen haben. Über die Erlebnisse der vergangenen Monate berichtet das Duo in seinem Reisetagebuch beim Kilometerstand 24.300 aus Kunming. Vom Erdbeben in China sind Helmis und Jacob nicht direkt betroffen.
„Wir dachten schon, wir hätten im vergangenen Jahr viel erlebt, als wir in der extremen Sommerhitze durch Indien fuhren. Als wir zur Zeit der Anschläge auf die rote Moschee in Islamabad in Pakistan einreisten, und dann doch ein zu uns sehr freundliches Volk erlebten. Und als wir voller Spannung aus Kashgar in Richtung Tibet aufbrechen wollten. Bis dann unsere Gabel brach und wir einen Monat in Kashgar festsaßen. Wir dachten, wir hätten ein spannendes Jahr gehabt, als wir dann endlich in der klirrenden Kälte in Richtung Tibet fahren konnten, unser Fahrrad bis zu 5400 Metern hoch pedalierten, die schöne Kargheit der Natur und die Sanftheit der Menschen erfahren durften. Und leider auch einen traurigen Tiefpunkt unserer Reise erleben mussten, als wir von aggressiven chinesischen Restaurantbesitzern mit Steinen und Messern attackiert wurden.
Wir dachten, wir hätten viel erlebt, als wir weiterfuhren und mitten im Nirgendwo unser Rahmen brach. Als wir per Anhalter mit Lastwagen weiterfuhren in die nächste Stadt, wo wir versuchen wollten unseren Rahmen schweißen zu lassen. Und als wir dann mit geschweißtem Rahmen doch noch weiterfahren konnten und das Basislager des Mount Everest erreichten, wo im Dezember aber kein einziges Zelt stand. Und wir schließlich zu Weihnachten, gerade rechtzeitig bevor unser Visa ablief in Lhasa eintrudelten.
Wir dachten, wir hätten viel erlebt, als wir nach unserem Hongkong- Trip zur Visa-Besorgung zurückkehrten nach Lhasa, dort eine Weile blieben, und tiefere Einblicke in das Leben der Tibeter und das Verhältnis zu China bekamen. Und als wir dann in der Abgeschiedenheit wanderten, vier Nächte auf über 5400 Metern schliefen, und bis auf 6000 Meter kletterten.
Da ahnten wir noch nicht, was uns nun blühte: Dass wir am nächsten Tag verhaftet werden würden. Dass in Lhasa mittlerweile Chaos regierte, Tibeter demonstrierten und so ihrem Frust Luft machten. Dass unsere Pässe in Shanghai bei einer Visumsagentur lagen, wir aber wegen der Geschehnisse keine Visumsverlängerung bekamen. Dass nun die gesamte Aufmerksamkeit der Welt auf Tibet gerichtet war, und wir aus erster Hand mitbekamen, wie die Medien sowohl in China, als auch in der restlichen Welt falsch oder verzerrt über die Ereignisse berichteten. Dass wir zehn Tage später hofften, die Lage hätte sich beruhigt, wir aber doch bei unserer Weiterfahrt 40 Kilometer hinter Lhasa von Soldaten und Polizei gestoppt und zurück nach Lhasa gebracht wurden, und wir schließlich Tibet per Zug verlassen mussten.
Daher sind wir im letzten Jahr auch nur wenig voran gekommen, wir fuhren im zweiten Jahr nur 7000 Kilometer - ganze 10.000 Kilometer weniger als im ersten Jahr. Doch die Bedingungen waren auch alles andere als optimal. Denn während wir im ersten Reisejahr immer genau zur richtigen Jahreszeit am richtigen Ort waren, war es im zweiten Jahr genau umgekehrt, wir fuhren von Mai bis August durch die Sommerhitze des indischen Subkontinents, saßen dann zur besten Reisezeit im September in Kashgar fest, und fuhren dann direkt in den eiskalten Spätherbst und Winter nach Tibet, und hatten dann auch im Januar und Februar bei der klirrenden Kälte noch keine Lust, schon weiterzufahren. Und später wurde dann unsere Weiterfahrt durch die Aufstände in Lhasa und Tibet verhindert.
Doch trotz allem haben wir das vergangene, zweite Reisejahr sehr genossen, erlebten zwar einige unschöne, hatten dafür aber auch umso mehr einzigartige, nette und bereichernde Erlebnisse. Einige Extremwerte unserer Reise:
Den höchsten Punkt unserer Reise mit dem Fahrrad erreichten wir am 25. Oktober, als wir über den 5400 Meter hohen Quishan La Pass fuhren, wo die Luft ganz schön dünn war. Der höchste Punkt, den wir gemeinsam zu Fuss erreichten, war knapp 5700 Meter auf der Kora, sprich Umrundung, des heiligen Bergs Kailash in Westtibet am 17. November. Benny stieg bei unserem Wanderausflug im März, südwestlich von Lhasa, noch ein bisschen höher, bis auf etwa 6000 Meter.
Die kälteste Temperatur erlebten wir ebenfalls im Aksai Chin Plateau und Westtibet, als zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember unser Thermometer mehrmals am Anschlag bei minus 25 Grad war, morgens bei Sonnenaufgang im Vorzelt, gemessen, wenn wir besonders hoch, also um die, oder über 5000 Meter schlafen mussten. Auf die Dusche mussten wir, oder besser, verzichteten wir, aufgrund der Temperaturen freiwillig, für 28 Tage, zwischen Kashgar und Ali in Westtibet.
Etwa 240 Kilogramm musste unsere Tandem auf nur 2 Rädern beim Start in Richtung Tibet tragen. Im Detail wiegt Mandy ca. 51 Kilogramm, Benny etwa 72 Kilogramm, Das Tandem „nackt" 33 Kilogramm, Gepäck hatten wir in Tibet inklusive Essen etwa 60 bis 75 Kilogramm dabei, und Wasser zwischen fünf und 15 Liter am Tag.
Mit Krankheiten hatten wir glücklicherweise nicht allzu oft zu kämpfen, Mandy hatte mal für drei Tage eine Grippe, als wir in Goa waren. Benny hatte zwei Tage fiese Zahnschmerzen, als wir durch Westtibet fuhren. Durchfall hatten wir jedoch oft, besonders in Indien, Pakistan, Nepal und auch noch in Kashgar in Westchina. Dann fühlten wir uns oft recht schlapp. Manche Reisende nehmen dann Pillen, wir taten das jedoch nie, und hofften, dass die Verdauung wieder besser wird, wenn wieder hygienischere Bedingungen herrschen. Und so war es dann auch.
Pannen oder technische Probleme verzögerten dagegen unsere Weiterfahrt des Öfteren. Platte Reifen waren noch zum aushalten, im Schnitt einen alle 3000 Kilometer. Speichenbrüche traktierten uns besonders zur Zeit unserer zweiten Nabe in Indien, wo wir auf 10000 Kilometern vielleicht 30 gebrochene Speichen am Hinterrad ersetzen mussten. Ein Gabelbruch verzögerte unsere Weiterfahrt nach Tibet um einen Monat, bis wir Ersatz hatten. In Tibet brach dann sogar noch nach extremer Belastung, fiesen Holperpisten und tiefen Minusgraden der Rahmen. Wir konnten ihn jedoch schweißen lassen und nach wenigen Tagen weiterfahren.
Aber von solchen Ereignissen lassen wir uns nicht entmutigen, ganz im Gegenteil, wir sind weiter motiviert, und hoffen, dass wir im dritten Reisejahr wieder mehr Kilometer fahren können, auch wenn wir bestimmt manchmal das Gefühl haben, eine Pause zu brauchen. Die werden wir bald auch bestimmt haben, denn entgegen ursprünglicher Planung fahren wir nun nicht nach Japan zum Arbeiten, sondern nach Australien. Denn dort bekommt man das Reise- und Arbeitsvisum ganz leicht, und Arbeit mit niedriger Qualifizierung, aber trotzdem noch guter Bezahlung, wird einem wohl momentan hinterher geschmissen, ganz im Gegensatz zu Japan. Deswegen geht es nun auf dem Landweg über Laos, Kambodscha, Thailand, Malaysia, und dann auf dem Wasser- und oder Luftweg über Indonesien nach Australien. Soviel zu unseren weiteren Plänen.
Jetzt fahren wir erst mal weiter in Richtung Laos, und hoffen, mit unserem aktuellen Visum für China, gültig noch bis zum 17. Mai, China nach acht Monaten endlich verlassen zu können. Alles Liebe aus Kunming wünschen Benny und Mandy.